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Der Prozess des Lernens ist auf die eine oder andere Weise mit allen Phasen des Krisenmanagements verbunden und spielt daher sowohl phasenübergreifend als auch in der retrospektiven Krisenbetrachtung eine Rolle. Im 8. und letzten Teil unserer Blogserie zum Thema Krisenmanagement geht es unter anderem darum, wie Organisationen nach einer Krise lernen und welche Herausforderungen der Lernprozess mit sich bringt.
Zunächst einmal erörtern wir die Frage, was Lernen im Kontext des Krisenmanagements bedeutet.
Lernprozess im Rahmen des Krisenmanagements
Das Lernen aus früheren Krisen ist ein wesentliches Element der Risikobeurteilung, die - ordnungsgemäß durchgeführt - historische Daten nutzt, um Risiken zu ermitteln und ihre Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Aus Krisen lernen bedeutet aber auch, präventive und reduzierende Hürden oder Kontrollen für Risiken einzuführen, die in früheren Krisen identifiziert wurden. Prävention bedeutet also das proaktive Lernen aus Schwachstellen auf Grundlage früherer Erfahrungen, um so die Krise zu vermeiden.
Lernen kann auch als ein wichtiges Element der Krisenvorsorge verstanden werden. Oft werden frühere Krisen als Grundlage für Schulungen und Übungen verwendet, um die Teilnehmer mit den notwendigen Fähigkeiten auszustatten, die sie im Krisenfall in die Praxis umsetzen können. Auch während der Krisenbewältigung findet Lernen statt, jedoch wird das Lernen durch hohe Risiken, Ungewissheit und Zeitdruck erschwert. So bleibt einem oft nur die Möglichkeit, gute Zwischenlösungen für Probleme zu finden, die durch Standardverfahren nicht gelöst werden können.
Auch im Rahmen der Wiederherstellung gibt es einen Lernprozess. Man sollte aus früheren Krisen lernen, indem man ihre situationsbedingten und systemischen Ursachen untersucht, um damit künftige Krisen zu vermeiden. Obwohl nicht ganz klar ist, wo krisenbedingtes Lernen genau beginnt und wo es endet, wird der Lernprozess meistens als eine Phase im Anschluss an die akuten Phasen der Bewältigung und Wiederherstellung betrachtet. Misserfolge sind hier explizit willkommen, denn nur durch Scheitern wird Weisheit erlangt, während dies bei Erfolg eher selten der Fall ist.
Doch welche Mechanismen hat der Lernprozess? Wie wird gelernt? Welche Fehler werden dabei gemacht und wie kann das Krisenmanagement-Tool GroupAlarm den Prozess des Lernens unterstützen?
Mechanismen, Ausmaße und Ebenen des Lernens
Das Lernen aus Krisen unterscheidet sich vom allgemeinen Lernen darin, dass Ersteres durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst wird und nicht die normale Anpassung an veränderte Umstände oder neue Informationen ist. Während und nach einer Krisensituation findet ein eher psychologischer Lernprozess statt, bei dem die Umstände die Akteure dazu veranlassen, ihr Verhalten und ihre Einstellungen zu ändern. Das beinhaltet auch, dass zuvor erlernte Verhaltensweisen wieder aufgegeben werden müssen.
Gelernt wird immer auf mehreren Ebenen. Zuerst lernen Einzelne, was diese wiederum dazu veranlassen können, eine Änderung des Verhaltens der jeweiligen Organisation anzustoßen. Allerdings erfordert das Einzelpersonen, die bewusst und strategisch an das Lernen aus vergangenen Krisen herangehen und die fähig sind, notwendige Reformen in der gesamten Organisation voranzutreiben. Da dieses individuelle Lernen innerhalb der Organisation und für die Organisation stattfindet, kann es in einigen Fällen in kollektive Lernprozesse überführt werden, noch bevor es zu organisatorischem Lernen wird.
Man spricht oft von einem dreiphasigen Lernprozess mit identifizierten Lektionen (Lessons Identified), gelernten Lektionen (Lessons Learned) und institutionalisierten Lektionen (Lessons Institutionalized). Es wird argumentiert, dass die erste Phase auf der individuellen Ebene stattfindet und die zweite bereits die Organisationsebene umfasst, während eine Organisation erst dann wirklich gelernt hat, wenn die Veränderung in der Kultur und den Verhaltenspraktiken der Organisation institutionalisiert ist. Bei einer großen gesellschaftlichen, vom Menschen verursachten, Krise kann sogar ein ganzes Netzwerk an staatlichen Zuständigkeiten sowie private und gemeinnützige Akteure in den Lernprozess involviert sein (Network Learning). (Vergl. Pursiainen, Christer. The Crisis Management Cycle. Taylor & Francis, 2017. [VitalSource Bookshelf])
Versäumnisse beim Lernprozess
Beim Lernen nach der Krise wird mindestens zwischen zwei Arten von Misserfolgen unterschieden: Erstens, wenn man aus vergangenen Krisen nichts lernt oder nur Dinge, die zu keiner Veränderung führen. Zweitens, wenn man zwar lernt, aber die falschen Schlüsse daraus zieht. Viele Unternehmen setzen viel Energie in die Planung und Umsetzung, aber investieren nur sehr wenig Zeit, um darüber nachzudenken, was sie getan haben. Sie gehen also nicht systematisch an das Lernen heran.
Aber welche Faktoren beeinflussen, ob eine Organisation aus der Krise lernt, oder nicht?
Hier ein paar Beispiele:
- Starre institutionelle Überzeugungen, die in Gesetzen, Verhaltensregeln und Bräuchen festgehalten sind, tragen zu Fehlern bei, die zu erneuten Krisen führen können.
- Taktischer Opportunismus von Entscheidungsträgern, die keine Lehren aus einer großen Krise mit weitreichenden Dimensionen ziehen (wollen) - z.B. aufgrund von Vorstandswahlen.
- Fehlendes Vertrauen in einer Organisationskultur führt zu fehlerhafter Berichterstattung und Geheimhaltung oder sogar zu Angst vor Schuldzuweisungen oder Sanktionen, was die Berichterstattung automatisch zurückhält und so die Informationen, aus denen Lehren gezogen werden können, einschränkt.
- Vorfälle mit schwerwiegenden Folgen (z.B. bei kritischen Infrastrukturen) ziehen leicht die Aufmerksamkeit der Medien auf sich und erzeugen externen Druck, der die Akteure praktisch dazu zwingt, Lehren aus Krisen zu ziehen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen.
Beurteilung nach der Krise
Nach Krisen sind öffentliche und private Organisationen oft gesetzlich dazu verpflichtet, Evaluierungen durchzuführen. Bei der Beurteilung werden meist Ursachen, Ergebnisse, Umstände einer Krise sowie die damit verbundenen Phasen des Krisenmanagements, wie Krisenvorbereitung und Reaktion, berücksichtigt. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man sich besser vorbereiten muss.
Eines der Probleme beim Lernprozess ist, dass es keinen Standard für die Durchführung von Bewertungen nach Krisen gibt. Ein weiteres Problem betrifft den subjektiven Charakter der Bewertung. So sind öffentliche Bewertungen quasi per Definition nicht unbedingt unparteiisch. Oft geht es hier nur um den Schutz von Eigeninteressen. Darüber hinaus bleiben Lehren häufig nur Lippenbekenntnisse, oder die Erkenntnisse werden den jeweiligen Interessengruppen aufgrund von Kommunikationsproblemen nicht richtig vermittelt.
Eine Möglichkeit, die gewonnenen Erkenntnisse zu verbreiten, sind Workshops mit den wichtigsten Beteiligten. Hier gibt es die Möglichkeit, z.B. den institutionellen und rechtlichen Rahmen, Reaktionsmechanismus, Bereitschaftsregelungen, Koordinierung sowie die Frühwarnung und Sensibilisierung zu evaluieren. Daraus werden dann Lehren gezogen, mit dem Ziel, die strukturellen Bedingungen zu korrigieren, die die Misserfolge ermöglichten, oder zumindest die Engpässe im Krisenmanagement zu identifizieren.
Schuldzuweisungen und Krisenmanagement
Entscheidungsträger müssen ihre Handlungen im Zusammenhang mit der Krise erklären, verteidigen und häufig auch nachträglich rationalisieren und sich zu Änderungen verpflichten. Dieser Prozess beinhaltet häufig Schuldzuweisungen, die nur allzu oft von den Medien gefördert oder sogar organisiert werden.
Als Folge davon entstehen zumindest in der Außenkommunikation nicht selten polarisierende Fronten wie “Helden” und “Schurken”. Verschiedene Aspekte wie die Art und der Sektor der Krise, der Zeitpunkt, die politische Situation, die gegenseitigen Abhängigkeiten und der symbolische Wert der Krise sind nur einige der Faktoren, die das Nachspiel der Krise beeinflussen.
Lernprozess unterstützt durch GroupAlarm
Wie wir im Rahmen der Beurteilung von Krisen bereits festgestellt haben, gehören Evaluierungen für Unternehmen und Organisationen zu den Pflichtaufgaben bei der Aufarbeitung. Mithilfe unserer Krisenmanagement-Plattform GroupAlarm können Sie nach einem Krisenfall genau nachvollziehen, wer was wann wo gemacht hat. Alle Vorkommnisse werden in Echtzeit dokumentiert und automatisch gespeichert. Im Zuge dessen erhalten Sie ausführliche, revisionssichere Dokumentationen, Berichte und Logfiles über alle Vorgänge. Diese liefern Ihnen konkrete Beweise für die eigene Evaluation im Rahmen von internen Revisionen, oder um z.B. bei Regressansprüchen die Aktionen der Verantwortlichen gegenüber Behörden zu belegen.
Nach der Krise ist vor der Krise
Aus der Krise lernen ist für alle Beteiligten oft ein schmerzhafter Prozess. Es gibt zahlreiche Mechanismen, Bedingungen und Gründe, die dazu führen, dass eine Organisation oder ein Unternehmen aus einer Krisenerfahrung lernt oder nicht lernt. Voraussetzung ist das Bewusstsein, dass sich das Lernen nach einer Krise wesentlich vom “normalen” Lernen unterscheidet. Statt sich gegenseitig Schuldzuweisungen zuzuschieben, sollte die Krise als Gelegenheit genutzt werden sollte, den Ursachen und Hintergründen auf den Grund zu gehen. Und zwar nicht nur, um es das nächste einfach Mal besser zu machen, sondern um den Krisenmanagement-Prozess in allen Phasen zu optimieren.
Rüsten auch Sie sich für Krisen mit GroupAlarm!
Bildquellen: GroupAlarm, Canva Pro